Europameisterschaft Berlin 2018

Überragender 9. Platz bei den Europameisterschaften in Berlin

Vom 06.-12. August fanden im Berliner Olympiastadion die 24. European Athletics Championships statt. Es waren für mich nach 2002 München, 2010 Barcelona, 2014 Zürich meine vierten Europameisterschaften.

Die unmittelbare Wettkampf-Vorbereitung für diese Heim-Europameisterschaften verbrachte ich in im Leistungszentrum in Kienbaum. Hier stand für mich im Vordergrund, den Körper physisch und mental auf den Saisonhöhepunkt vorzubereiten. In Kienbaum ist es ruhig, es gibt außer Trainingsstätten einen tollen See und kleinere Freizeitmöglichkeiten. Mehr brauchte ich nicht, denn gutes Essen und viel Schlafen ist für mich das Wichtigste in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung.

Am 05. August ging es ins Athleten-Hotel nach Berlin. Alle Athletinnen und Athleten aus den Europäischen Ländern wurden zwei zwei Hotels untergebracht. Von dort aus fuhren 2x stündlich Shuttle-Busse zum Trainingscenter und direkt zum Aufwärmplatz und zur Wettkampfstätte. Am Tag vor einem wichtigen Wettkampf mache ich immer einen Pausentag, um den Körper maximal zu regenerieren. Außer Gymnastik und spazieren machte ich nicht viel. Die Anspannung und die Freude auf den Wettkampf wurden von Tag zu Tag und von Stunde zu Stunde immer größer. Aber so soll es sein, dafür hat man monatelang trainiert und das Adrenalin braucht man um Höchstleistungen zu bringen. Mein Trainingsaufbau für die diesjährigen Europameisterschaften erfolgte ab August 2017 mit einem 2-monatigen Grundlagenausdauertraining.

Aufgrund meiner Knie-Operation im Juli 2016 konnte ich im Jahr davor nur sehr eingeschränkt meinem Stabhochsprung-Training hinterher gehen. Also entschied ich mich Anfang August mit der Tour der Hoffnung 2017 für einen Neustart. Ab Oktober 2017 ging das leichtathletikspezifische Training los!

Zurück zum Qualifiatkonswettkampf. Dieser war am 7. August um 19:05 Uhr. Die späte Uhrzeit störte mich nicht, denn in den letzten Jahren habe ich aufgrund von Hallenzeiten und meiner Selbstständigkeit ganz oft mein Training spät abends gemacht. So kam es häufig, dass ich um 22:00 Uhr erst mit dem Training fertig war. Deshalb war ich sehr optimistisch, was meine körperliche und mentale Verfassung anbelangt hatte. Die "Norm" für das Finale war 4,55m. Diese Höhe war sehr hoch angesetzt. Aber auch dies kannte ich aus früheren internationalen Meisterschaften. Lieber wird die Höhe für´s Finale sehr hoch angesetzt, als dass am Ende mehr als 12 Teilnehmerinnen das Finale erreichen.

Meine Konkurrentinnen standen mit ihren Saisonbestleistungen natürlich weit vor mir. Aber jeder Wettkampf beginnt von vorne und jede Athletin muss am Wettkampf-Tag mit den gleichen Bedingungen zurechtkommen. Der Wind ist sehr entscheidend für uns Stabhochspringer um gute Ergebnisse und große Höhen erzielen zu können. Im Olympiastadion hatten wir sehr wechselnde Winde, mal von vorne, mal von links und mal von rechts. Rückenwind - was wir lieben - hatten wir selten.

Im Wettkampf stieg ich bei der ersten Höhe bei 4,00m ein. Mir war wichtig in den Wettkampf reinzukommen, mit der Anlaufbahn und dem Einstichkasten zurechtzukommen um ein Gefühl für meine Stäbe und Sprünge entwickeln zu können. Mir war klar, dass jeder Fehlversuch entscheidend sein wird! Öfters habe ich schon erlebt, dass ich mit einem Versuch mehr den Endkampf bei internationalen Hallen- oder Freiluftmeisterschaften nicht erreicht hatte. Die zweite Höhe von 4,25m überquerte ich im 2. Versuch. Hier habe ich nach dem ersten Versuch auf einen härteren Stab gewechselt. Das war gut und wichtig, denn mit diesem Stab sprang ich dann auch direkt die 4,35m im 1. Versuch. Die nächste Höhe von 4,45m bin ich "viermal angegangen", weil im 3. Versuch das Fernseh-Team während meiner 60 Sekunden in meiner Bahn stand und die Oberkampfrichterin daraufhin mir einen neuen Versuch gegeben hat. Alle Versuche waren nicht schlecht, aber die Latte ist nicht liegen geblieben. Nach dem letzten ungültigen Sprung war ich enttäuscht auf der Matte. Aber ich wusste, ich hatte mein Bestes gegeben!

Nach dem letzten ungültigen Sprung wollte ich unbedingt das Tableau sehen und wissen, wer im Finale ist. Nach meinen 1. Versuch bei 4,35m hatte ich ein super Gefühl, aber als ich sah, dass diverse Athletinnen über 4,45m sprangen und ein paar Athletinnen noch gar nicht im Wettkampf eingestiegen waren, wusste ich nicht mehr, was der Stand der Dinge war. Zumal ich das Ergebnis von "Gruppe A" auf der anderen Anlage überhaupt nicht mitbekommen habe. Andere Athletinnen gratulierten mir schon, ich selbst wollte es aber nicht glauben und fragte bei den Kampfrichtern nach. Schließlich teilte mir die Oberkampfrichterin mit: "Sie sind dabei!" Mir fiel ein großer Stein vom Herzen, ich rannte zur Bande zum Publikum und jubelte vor Begeisterung! Ich war meeeeega happy!!!

Als ich im Hotel war, sagten ein paar Trainer und Freunde zu mir: "Wir wussten schon vor Deinem 3. Versuch, dass Du im Finale bist."

16 Jahre nach der Heim-EM in München war ich im Finale in Berlin

Am Tag nach meinem Vorkampf war ich platt. Ich kannte dies von all meinen Wettkämpfen in der bisherigen Saison. Einen kompletten Pausen-Tag mache ich aber nach einem Wettkampf nicht, da ich festgestellt habe, dass mein Körper schneller regeneriert und besser in Schwung kommt, wenn ich ein lockeres Training und viel Stretching mache. So machte ich das auch bei der EM!

Am Donnerstagabend stand um 19:20 Uhr das "große Finale" an! Ich freute mich einerseits sehr darauf, aber andererseits war ich auch total angespannt, weil ich wusste, dass der Wettkampf bei 4,30m begann. Meine Anfangshöhe in der bisherigen Saison war immer 4,00m oder 4,10m. Doch an dem Tag konnte ich nicht frei wählen, sondern musste bei der vom Kampfgericht festgelegten Einstiegshöhe beginnen. Für das Finale hatte ich zwei persönliche Ziele: "Ich wollte meinen bis dato 12. Platz weiter verbessern und ich wollte den Wettkampf auch mit einer gültigen Höhe beenden!"

Von den anderen Athletinnen aus dem Vorkampf und im Finale kannte ich nicht viele. Zu lange war ich nicht mehr auf großen Wettkämpfen dabei. Die letzten zwei Jahre hatte ich viel mit meiner Gesundheit und meinem Comeback zu tun und davor hatte ich den Schwerpunkt auf meine berufliche Zukunft gelegt. Ganz weg war ich noch nie, aber ich habe mich vermehrt um mein Leben nach dem Hochleistungssport gekümmert.

So musste ich schon im Einspringen etwas mehr Risiko gehen als sonst, um früher auf härtere Stäbe zu kommen. Am Anfang ist alles aufgegangen, wie ich mir das vorgestellt habe. Die Anfangshöhe von 4,30m übersprang ich gleich im 1. Versuch. Ich war gut gelaunt und happy, doch leider habe ich es wie in der ganzen Saison nicht geschafft, mit dem nächst härteren Stab so zu springen, dass die Latte liegen blieb. Die Höhe hatte ich im 1. und 2. Versuch gut, aber die Tiefe fehlte mir. Das ist ein Zeichen von einer schlechten Technik im Einstich-Absprung. Die Videoaufnahmen nach dem Wettkampf haben mir das auch gezeigt. Mein Aufrollen und Arbeiten am Stab ist ähnlich gut, wie es früher war. Früher hatte ich sogar noch mehr Körperspannung während der Flugphase, aber da kann ich schnell wieder hinkommen. Im Einstich-Absprung habe ich aber viel verlernt!

Fakt ist, dass ich dreimal die 4,45m gerissen habe, ausgeschieden bin und am Ende aber trotzdem einen für mich tollen 9. Platz erzielt habe, welches mein bestes Ergebnis von den bisher vier Europameisterschaften ist, an denen ich teilgenommen habe. Und das mit fast 38 Jahren!

Viele Freunde haben mir gratuliert und mir gesagt, dass es jetzt doch der richtige Zeitpunkt ist, um aufzuhören!!! Ich selbst weiß es noch nicht. Zwei Dinge weiß ich aber jetzt schon: 1. Der Stabhochsprung macht mir viel Spaß und 2. Werde ich im müden Zustand keine Entscheidungen treffen. Deshalb möchte ich mich jetzt erstmal von den anstrengenden Wochen erholen, um in Ruhe überlegen zu können, wie es mit mir weitergeht. Fühlt Euch gedrückt und habt Spaß an dem was ihr tut.

Eure Carolin

Hier geht´s zum Video vom Vorkampf bei den Leichtathletik Europameisterschaften 2018

Hier geht´s zum Video vom Finale bei den Leichtathletik Europameisterschaften 2018